Kindschaftsrecht

Im Zuge einer Trennung oder Scheidung bzw. Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft sind Regelungen bezüglich der gemeinsamen Kinder zu treffen.  

Bei der einvernehmlichen Scheidung sind diese Regelungen Bestandteil des Scheidungsvergleichs. Bei anderen Scheidungs- und Trennungsvarianten kann das Gericht per Antrag angerufen werden, wenn keine Einigung gefunden wird. Auf jeden Fall sollte die hauptbetreuende Obsorge offiziell geklärt werden. 

Im Wesentlichen sind im Zusammenhang mit Kindern folgende drei Bereiche zu regeln: 

  • Obsorge  
  • Kontaktrecht 
  • Unterhalt (Alimente) 

Zentral in all diesen Bereichen ist das Kindeswohl. § 138 ABGB bestimmt:  

Obsorge

Die Obsorge umfasst das Recht bzw. die Verpflichtung gegenüber dem minderjährigen Kind (bis zur Vollendung des 18. Geburtstages) zur: 

  • Pflege und Erziehung (Wahrung des körperlichen Wohls, Förderung, medizinische Belange, Ausbildung, Aufenthaltsortsbestimmungsrecht u.v.m.) 
  • gesetzlichen Vertretung (Abschluss von Verträgen, z.B. von Ausbildungsverträgen etc.) 
  • Vermögensverwaltung 

§ 137 Abs. 2 ABGB betont neben der Verpflichtung, für das Wohl des Kindes zu sorgen, ganz klar die Unzulässigkeit jeglicher Form von Gewalt:  

”Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.” 

Wer hat die Obsorge? 

In aufrechter Ehe bzw. eingetragener Partnerschaft gilt die gemeinsame Obsorge, beide Elternteile haben die gleichen Rechte und Pflichten und sollen einvernehmlich vorgehen. Im Alltag können sie diese Rechte in der Regel auch allein ohne Zustimmung des anderen Elternteils ausüben. Nur in besonderen Angelegenheiten ist die Zustimmung beider Elternteile notwendig, in manchen Fällen, z.B. wenn es um eine Liegenschaft oder den Verzicht auf ein Erbrecht geht, bedarf es zusätzlich der Genehmigung des Pflegschaftsgerichts. 

Bei unehelichen Kindern ist in der Regel die Kindsmutter alleine obsorgeberechtigt. Die Elternteile können aber auch die gemeinsame Obsorge vor dem Standesamt erklären, diese Erklärung können beide innerhalb von 8 Wochen widerrufen. Darüber hinaus kann der Kindsvater bei Gericht einen Antrag auf (gemeinsame) Obsorge stellen. 

Obsorge bei Trennung und/oder Scheidung

Nach einer Scheidung oder Trennung bleibt die gemeinsame Obsorge für minderjährige Kinder aufrecht, 

  • sofern nichts anderes vereinbart wird (Einigung auf alleinige Obsorge eines Elternteils = Vereinbarung über die Obsorge) oder 
  • das Gericht auf Antrag eines Elternteils die alleinige Obsorge eines Elternteils ausspricht. Grundsätzlich ist die alleinige Obsorge auch nur für bestimmte Teilbereiche möglich (z.B. schulische Angelegenheiten, medizinische Angelegenheiten etc.) 

Bleiben beide Eltern obsorgeberechtigt, müssen sie vor dem Gericht eine Vereinbarung über die hauptbetreuende Obsorge schließen, also regeln, wer Domizilelternteil ist. Der Hauptbetreuungsort ist dort, wo sich das Kind überwiegend aufhält, und hat unter anderem Auswirkung auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht.  

Die gemeinsame Obsorge ist grundsätzlich nur dann praktikabel, wenn trotz der Trennung noch eine Gesprächsbasis besteht und die Bereitschaft vorhanden ist, die Paarebene von der Elternebene zu trennen: also nicht die eigenen Konflikte, Kränkungen etc. über die Kinder auszutragen. 

Im Falle von Gewalt gilt: Je eindeutiger die Mutter Hauptbezugsperson ist, desto weniger belastend ist die Situation für die Kinder und je abgegrenzter sie ist, desto weniger kann der Kindesvater ihre Grenzen überschreiten. 

Bei zu erwartenden Schwierigkeiten empfiehlt sich eine möglichst genaue Festlegung der einzelnen Mitsprache- bzw. Vertretungsbereiche (auch Teilhabe an einzelnen Bereichen der Obsorge kann vereinbart werden). 

Gefahren der gemeinsamen Obsorge

Die gemeinsame Obsorge kann als formale Möglichkeit benützt werden, die bisherigen Machtkämpfe fortzusetzen (Rache, Konkurrenzdenken) und somit als rechtlich legitimiertes Mittel zur Machtausübung, Kontrolle und Manipulation sowohl der Frau* als auch der Kinder missbraucht werden. 
 
Daher ist der Antrag auf (auch teilweise) alleinige Obsorge anzuraten bei: 

  • Gewalt gegen Frau* und/oder Kinder (Drohungen, Druck ausüben) 
  • Missbrauch/Missbrauchsverdacht 
  • Alkoholismus/Drogenkonsum des Mannes 
  • Ignoranz, Vernachlässigung, mangelndes Interesse am Kind 
  • wenn auch nach der Scheidung hohes Konfliktpotential und wenig gemeinsame Lösungsfähigkeit zwischen den Eltern besteht  
  • wenn Kinder schon während der Ehe in die Paarkrise hineingezogen wurden 
  • wenn aufgrund stark divergierender Erziehungskonzepte oder Werthaltungen kein Grundkonsens und somit keine gemeinsamen Lösungen zu erwarten sind 

Antrag auf (alleinige) Obsorge

Wenn sich die Eltern nicht einigen können und die Obsorge strittig wird, entscheidet das Gericht auf Antrag über die Obsorge bzw. darüber, welcher Elternteil das Kind in seinem Haushalt hauptsächlich betreuen soll (dieser Teil muss jedenfalls mit der Obsorge betraut sein). Das Gericht kann im Zuge dessen eine “Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung” vorsehen.  

Kriterien für die gerichtliche Entscheidung über die Obsorge: 

  • Wohl des Kindes (§ 138 ABGB, siehe oben) 
  • (Nicht-)Vorhandensein eines Mindestmaßes an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern 
  • Lebensumstände der Eltern 
  • Betreuungskontinuität (Wie bzw. von wem wurde das Kind bisher betreut?) 
  • Wille des Kindes 
  • Bindungstoleranz 

Kommt es im Zuge des Verfahrens zu keiner Einigung der Elternteile, entscheidet das Gericht mittels Beschluss, gegen den Rechtsmittel möglich sind.  

Hier können Sie die Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht (2024) für Familiengerichte bzw. Richter*innen am Ende der Seite downloaden: https://www.bmj.gv.at/themen/Zivilrecht/Kinderschutz-Kindesabnahme.html

Aufenthalt und Wohnort des Kindes § 162 ABGB

Zu unterscheiden sind Aufenthaltsortsbestimmungsrecht und Wohnortbestimmungsrecht. 

Aufenthaltsbestimmungsrecht: Wo sich ein Kind aufhalten darf, ob es z.B. bei Freund*innen übernachten darf, auf Urlaub fahren darf, bestimmt nach § 162 Abs. 1 ABGB der “mit der Pflege und Erziehung eines Kindes betraute Elternteil”.  

Wohnortbestimmungsrecht: Was den Wohnort des Kindes betrifft, sieht das Gesetz mehrere Konstellationen vor.  

Nach § 162 Abs. 2 ABGB hat der allein obsorgeberechtigte bzw. obsorgeberechtigte Elternteil, der das Kind hauptsächlich in seinem Haushalt betreut, das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen. Hier ist keine Einvernehmlichkeit vonnöten, allerdings gibt es hier Informationspflichten.  

Die Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland regelt § 162 Abs. 3 ABGB: Haben beide Elternteile die gemeinsame Obsorge und gibt es keinen hauptbetreuenden Elternteil, müssen beide Eltern einer Wohnsitzverlegung ins Ausland zustimmen bzw. das Gericht diese genehmigen. Allein obsorgeberechtigte Elternteile entscheiden allein, der andere Elternteil hat ein Informations- und Äußerungsrecht.

Wenn bereits ein Domizilelternteil festgelegt wurde und dieser eine Übersiedlung ins Ausland beabsichtigt, ist das eine wichtige Angelegenheit, über die der Domizilelternteil den anderen rechtzeitig zu informieren und seine Äußerung zu berücksichtigen hat.  

Wenn Sie mit Ihrem Kind ins Ausland gehen wollen und der andere Elternteil, als Mitobsorgeberechtigter, dem nicht zustimmt, dann müssen Sie bei Gericht eine Wohnsitzverlegung beantragen und das Gericht muss darüber entscheiden.  

Achtung: Gehen Sie ohne gerichtliche Zustimmung, dann liegt Kindesentführung nach dem HKÜ vor!  

Kontaktrecht

Kinder und die jeweiligen Elternteile haben, wenn sie nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen der Kinder entsprechende persönliche Kontakte. Grundsätzlich soll dieses Kontaktrecht einvernehmlich geregelt werden, ist dies nicht möglich, kann ein Antrag auf Kontaktrechtsregelung bei Gericht gestellt werden.  

Die Kontaktrechtsregelung hat gemäß § 187 ABGB „die Anbahnung und Wahrung des besonderen Naheverhältnisses zwischen Eltern und Kind sicherzustellen und soll möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag des Kindes umfassen. Das Alter, die Bedürfnisse und die Wünsche des Kindes sowie die Intensität der bisherigen Beziehung sind besonders zu berücksichtigen”. Oberstes Prinzip ist immer das Kindeswohl (§ 138 ABGB, siehe oben). 

Zu betonen ist, dass es sich bei dem Kontaktrecht vor allem um eine Verpflichtung dem Kind gegenüber handelt, das die Eltern zuverlässig zu erfüllen haben. Der häufig geäußerte Wunsch auf Väterseite nach flexiblen und spontanen Kontakten entspricht dem wohl nicht.     

Kriterien für das Ausmaß des Kontaktrechts: 

  • die Bedürfnisse des Kindes (Kindeswohl!) 
  • die Intensität der bisherigen Beziehung 
  • Alter des Kindes – in der Regel sind bei Kleinkindern häufigere, aber kürzere Kontakte ratsam. 

Geregelt werden sollten: 

  • Genaue Kontaktzeiten  
  • Kontaktzeiten in den Ferien 
  • Geburtstage 
  • Wichtige Feiertage 
  • Telefon/Online-Kontakte: Hier sollten genaue Zeiten vereinbart werden, vor allem wenn diese Kommunikationsformen für Grenzüberschreitungen missbraucht werden. 
  • Bei konflikthafter Kommunikation ist eine Regelung, wie, wann und worüber kommuniziert wird, ratsam. 

Doppelresidenz

Doppelresidenzmodelle, also die (annähernd) gleichteilige Aufteilung der Betreuung, kommen immer häufiger vor. Für Eltern, die sich schon vor der Trennung Betreuung und Mental Load geteilt haben und bei denen die Kinder daran gewöhnt sind, ist das vielfach eine gute Option. 

Abzuraten bzw. problematisch ist dieses Modell aus unserer Sicht dann,   

  • wenn es den Bedürfnissen des Kindes widerspricht (häufige Wechsel, fehlender Lebensmittelpunkt, Kind ist noch zu klein); 
  • wenn es bislang nicht so gelebt wurde und sich damit die Betreuungssituation für die Kinder verändert (Betreuungskontinuität!);  
  • wenn es nur vorgeschlagen wird, um keinen/weniger Unterhalt zu zahlen; 
  • wenn zwischen den Elternteilen keine bzw. eine schlechte Kommunikationsbasis herrscht; 
  • bei jeder Form von Gewalt! 
  • wenn Sie es nur in Betracht ziehen, weil der andere Elternteil Druck ausübt oder droht;   
  • wenn es finanziell nicht leist- und lebbar ist. 

Einschränkung bzw. Entzug des Kontaktrechts

§ 182 Abs. 2 ABGB bestimmt: Das Gericht hat nötigenfalls die persönlichen Kontakte einzuschränken oder zu untersagen, insbesondere soweit dies aufgrund der Anwendung von Gewalt gegen das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint oder der Elternteil, der mit dem minderjährigen Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, seine Verpflichtung aus § 159 ABGB (Wohlverhaltensgebot) nicht erfüllt.  

Bei schwerwiegenden Gründen, z.B. massiver Kindeswohlgefährdung, ist eine Entziehung des Kontaktrechts zulässig. Es gibt auch die gerichtliche Möglichkeit der Durchsetzung mit sanften Mitteln, nämlich mithife von Besuchsmittler*innen (§ 106b AußStrG). Der/die vom Gericht bestellte Besuchsmittler*in soll durch Anwesenheit und Überwachung die ordnungsgemäße Über- und Rückgabe des Kindes erleichtern und hat auch eine Berichtsfunktion gegenüber dem Gericht. Die Besuchsmittler*innen sind bei der Familiengerichtshilfe angesiedelt. 

Bei konflikthaften Situation bzw. bei Gewalt ist es ratsam, eine Besuchsbegleitung zu beantragen. Nach § 111 AußStrG kann das Gericht, wenn es das Wohl des Minderjährigen verlangt, eine geeignete und dazu bereite Person zur Unterstützung bei der Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte heranziehen. 

Verfahren – Pflegschaftssachen

Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren werden mit einem Antrag eingeleitet. Die Anträge können schriftlich oder mündlich bei Gericht eingebracht werden und sind nicht kostenpflichtig, es besteht auch keine Anwaltspflicht. Nach Einlangen des Antrags wird dieser der gegnerischen Partei zugestellt, die sich innerhalb von 2 Wochen äußern kann. 

In der ersten Gerichtssitzung wird zunächst versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Gelingt das nicht, wird häufig ein vorläufiges Kontaktrecht bzw. eine vorläufige Obsorgeregel festgesetzt, welche üblicherweise dem Ist-Zustand entspricht. 

Es folgen weitere Termine bzw. können weitere Institutionen wie z.B. die Familiengerichtshilfe eingeschalten werden. Auch Aufträge wie z.B. die Absolvierung von Elternberatungen oder die Empfehlung eines Mediationstermins können erteilt werden. Die Parteien können Anträge z.B. auf Sachverständigengutachten oder Beigebung einer Kinderbeiständin stellen. 

Kinder sind in den Verfahren zu hören! (§ 105 Abs. 1 AußStrG). Ab dem 10. Lebensjahr müssen sie grundsätzlich vom Gericht befragt werden, davor erfolgt die Befragung durch Einrichtungen wie die Kinder- und Jugendhilfe, die Familiengerichtshilfe etc. Über 14-jährige Kinder können bereits selbst Anträge bei Gericht stellen. 

Das Verfahren endet entweder durch Vergleich oder Beschluss, gegen den innerhalb von 2 Wochen Rekurs erhoben werden kann. 

Institutionen rund um das Pflegschaftsverfahren

Familiengerichtshilfe

Die Familiengerichtshilfe ist eine mit Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen besetzte Stelle der Justiz, die in Pflegschaftssachen vom Gericht mit folgenden Aufgaben beauftragt werden kann: 

  • Clearing: Ziel ist es, eine Lösung mit den Eltern zu erarbeiten, wobei etwa 5 bis 7 Gespräche vorgesehen sind. Achtung: Lassen Sie sich nicht zu einer Lösung drängen. Wenn es für Sie nicht stimmig ist, dann müssen Sie nicht zustimmen! 
  • Erhebungen und Stellungnahmen: Bestimmte Sachverhalte sollen erhoben werden, z.B. ob eine Wohnung kindgerecht ist. Die Familiengerichtshilfe kann dafür mit den Parteien und dem Kind sprechen, bei Institutionen wie Kindergarten, Schulen etc. sowie weiteren Bezugspersonen nachfragen u.v.m.  
  • Fachliche Stellungnahme: Diese ergehen aus der Sicht des Kindeswohls. Es geht dabei darum, inwieweit ist der Elternteil in der Lage auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Es werden umfassende Tests durchgeführt und Interaktionen beobachtet.  

Kinder- und Jugendhilfe 

Nach § 106 AußStrG kann in Obsorge- und Kontaktrechtsangelegenheiten die Kinder- und Jugendhilfe gehört werden. In diesem Fall befragen Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe die Eltern und Kinder und schicken dann ihre Stellungnahme an das Gericht.  

Kinderbeistand/Kinderbeiständin (§ 104a AußStrG) 

In Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Kinderbeiständin* bestellt werden. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Kinder unter 14 Jahre alt sind (bei besonderem Bedarf unter 16 Jahren) und es im Hinblick auf die Intensität der Auseinandersetzung zwischen den übrigen Parteien zur Unterstützung des Minderjährigen geboten ist. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die Bestellung einer Kinderbeiständ*in, aber Sie können einen Antrag stellen, dass dies dem Kindeswohl dient, diesem Antrag wird in der Regel stattgegeben. 

Die Kinderbeiständin steht in Kontakt mit dem Kind und informiert es über den Verfahrenslauf. Im Einvernehmen mit dem Kind hat sie dessen Meinung dem Gericht gegenüber zu äußern, manchmal geschieht das in der Form, dass ein Brief des Kindes vorgelesen wird.  

Sachverständigengutachten 

Von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei kann auch ein Sachverständigengutachten zu Fragen rund um das Wohl des Kindes beauftragt werden.  

Achtung im Umgang mit Institutionen: So hilfreich all diese Institutionen sind, so kritisch sind sie mitunter zu sehen. Immer wieder berichten Klient*innen davon, dass Berichte von Gewalt relativiert, bagatellisiert und  ignoriert werden und der Kindeswille oft nur dann unhinterfragt zur Kenntnis genommen wird, wenn er der Vorstellung “Kinder brauchen Väter” entspricht. 

Wir raten Ihnen: Beziehen Sie Stellung und äußern Sie sich! Wenn in Stellungnahmen, Sachverständigengutachten etc. Inhalte verschwiegen oder  anders dargestellt werden oder wenn die Rahmenbedingungen bestimmte Ergebnisse begünstigt bzw. erschwert haben, äußern Sie sich dazu und bringen Sie Ihre Perspektive ein. Wichtig ist, dass all Ihre Vorbringen im Akt sind, um sich gegebenenfalls im Rahmen eines Rekurses gegen Entscheidungen wehren zu können. 

Kindesunterhalt – Alimente

Derjenige Elternteil, der das gemeinsame Kind nicht (hauptsächlich) betreut, muss bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes Unterhalt zahlen.  

Höhe des Unterhalts

Die Höhe des Unterhalts ist abhängig vom Alter, den Bedürfnissen des Kindes, vom Einkommen der Eltern, dem Betreuungsumfang sowie weiteren Sorgepflichten des unterhaltspflichtigen Elternteils.  

Aufwendungen im Rahmen des üblichen Kontaktrechts führen zu keiner Reduktion des Unterhalts. Krankenzusatzversicherungen sind dann anrechenbar, wenn es sich um gehobene Lebensverhältnisse handelt und der betreuende Elternteil zustimmt. 

Derzeit gelten folgende Prozentsätze ausgehend vom durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen: 

  • 0 bis 6 Jahre: 16 %  
  • 6 bis 10 Jahre: 18 % 
  • 10 bis 15 Jahre: 20 % 
  • Ab 15: 22 % 

Bei mehreren Unterhaltsberechtigten sind folgende Abzüge vorzunehmen: für jedes weitere Kind unter 10 Jahren 1 %, für Kinder über 10 Jahren 2 %, für Ehegattin/Ehegatten 0 bis 3 %. 

Ergänzend zur Berechnung werden folgende Durchschnittsbedarfsätze bzw. “Luxusgrenzen” herangezogen: 

Alter
des Kindes 
Durchschnittsbedarfssatz (2024) Unterhaltsstopp 
„Luxusgrenze“ 
0 bis 5 € 340,00 € 680,00 
6 bis 9 € 430,00 € 860,00 
10 bis 14 € 530,00 € 1.325,00 
15 bis 19 € 660,00 € 1.650,00 
ab 20 € 760,00 € 1.900,00 

Im Falle einer gleichteiligen Betreuung (Doppelresidenz) entfällt bzw. reduziert sich die Unterhaltspflicht, wenn beide Elternteile annähernd gleich viel verdienen. Verdient ein Teil wesentlich mehr, ist Ergänzungsunterhalt zu zahlen. Im Übrigen sind bei diesem Modell sämtliche Kosten zu teilen! 

Hier können Sie den Kindesunterhalt berechnen: http://www.jugendwohlfahrt.at/unterhaltsrechner.php  
 

Was passiert, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Job kündigt, um weniger Alimente zu zahlen? 

Für den unterhaltspflichtigen Elternteil gilt der sogenannte Anspannungsgrundsatz. Das heißt, eine unterhaltsverpflichtete Person muss grundsätzlich ein Einkommen erzielen, das ihrem Leistungsvermögen (Ausbildung, Erfahrung etc.) entspricht. Bei einem entsprechenden schuldhaften Verhalten wird ein fiktives Einkommen als Berechnungsbasis herangezogen.  

Was wird durch Alimente abgedeckt? Was ist Sonderbedarf? 

Grundsätzlich sind die Lebensbedürfnisse eines Kindes aus den Alimentationszahlungen der unterhaltsverpflichteten Person zu begleichen. Es gibt allerdings Aufwendungen, die außerhalb des Üblichen anfallen, diese werden als Sonderbedarf bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine außergewöhnlich dringliche Auslage, die unregelmäßig entsteht.  

Unterschieden werden der existenznotwendige, der durchschnittliche und der Luxussonderbedarf. Grundsätzlich ist nur der existenznotwendige Sonderbedarf zu leisten. Dieser ist aber konkret nachzuweisen. 

Die Rechtsprechung sieht als Sonderbedarf vor allem Kosten für die Heilung, Erhaltung der Gesundheit und der Persönlichkeitsentwicklung an: z.B. Zahnbehandlung bzw. Zahnspange, Psychotherapiekosten, notwendige Kontaktlinsen und notwendige ärztliche Behandlungen, die nicht von der Krankenversicherung gedeckt sind. In manchen Fällen gelten auch  Nachhilfeunterricht, Sprachferien oder ein Computer als Sonderbedarf.  

Kein Sonderbedarf sind beispielsweise: Brillenkosten, wenn die Kosten von der Krankenversicherung gedeckt sind, und privatärztliche Behandlungen. Auch Ausgaben, die im Rahmen der Schulausbildung regelmäßig anfallen, sind kein Sonderbedarf: z.B. Schulschikurskosten und Schullandwoche. 

Liegen die Alimente über dem Durchschnittsbedarfswert (über dem gesetzlichen Unterhalt), wird das Vorliegen eines Sonderbedarfs besonders streng geprüft.  

Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs von Kindern 

Für minderjährige Kinder (bis zur Erreichung des 18. Geburtstags) kann der allein oder hauptbetreuende Elternteil vom anderen Alimente fordern. Die Kinder- und Jugendhilfe bietet hierbei Unterstützung. 

Volljährige Kinder müssen ihren Unterhalt selbst bei Gericht per Antrag einfordern (wird im Außerstreitverfahren entschieden). 

Selbsterhaltungsfähig wird ein Kind, wenn es seine gesamten Lebensbedürfnisse aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenen Einkünften decken kann, in der Regel mit Aufnahme der Berufstätigkeit. Die Rechtsprechung orientiert sich an den ASVG-Mindestpensionssätzen. 

Zieht das unterhaltsberechtigte Kind aus dem Haushalt aus, entsteht nicht automatisch ein Unterhaltsanspruch in Geld, sondern unter Umständen ein „gemischter Unterhaltsanspruch“.

Im Unterhaltsverfahren für minderjährige Kinder gibt es keinen Kostenersatzanspruch. Jede Partei muss für ihre eigenen Kosten aufkommen. Das Gericht hat von Amts wegen alle rechtserheblichen Umstände zu untersuchen. 
 
Vorläufiger Unterhalt 

Ist ein Unterhaltsverfahren anhängig oder wird es eingeleitet, kann nach § 382a EO ein vorläufiger Unterhalt beantragt werden, der allerdings „höchstens bis zum jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden” kann.