„Ein bisschen Magersucht, ein bisschen Bulimie. Es geht mir nicht total gut gerade, aber ich denke, das geht allen Frauen so.“ (Amy Winehouse im Interview mit dem Daily Mirror im Oktober 2006)
Dieses Zitat stellt Angela McRobbie ihrem Kapitel „Unlesbare Wut: Postfeministische Störungen“ voran, in dem sie ängstliche Überwachung des Körpergewichts, endlose Diäten und selbstverletzendes Verhalten von jungen Frauen als gesunde Zeichen ungesunder Weiblichkeitsanforderungen beschreibt. Es ist leichter, ein krankes Mädchen zu sein als ein offen widerständiges Mädchen, das sich den Weiblichkeitszumutungen verweigert. McRobbie schließt daraus: „Die Pathologie als Normalität ist einer neuen Form von Frauenbewegung vorzuziehen.“ (S. 133)
Sie expliziert ihre These mithilfe von Judith Butlers Ideen aus „Psyche der Macht“: Die Gewalt regulatorischer Normen führt zu Melancholie und zu Wutausbrüchen gegen sich selbst – gebrochene Anklagen an die gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Diese Mechanismus der Selbstentwertung zeigt sich beispielsweise in der Modefotografie, „die eine sozial sanktionierte Struktur zur Verfügung stellt, in der Frauen dazu ermutigt werden, auf voyeuristische, wenn nicht sogar vampirische Weise die (gemorphten B.Z.) Bilder anderer Frauen zu konsumieren. (Fuss S. 144)
Angelika Wetterer benannte 2003 das Verschwinden der Ungleichheit aus dem zeitgenössischen Differenzwissen als „rhetorische Modernisierung“. Das Schweigen über die tatsächliche Ungleichheit zwischen den Geschlechtern an Geld, Macht und Einfluss und das bewusste Verschleiern dieser Unterschiede geht mit einer Retraditionalisierung in den Werthaltungen einher (Frauen sollen wieder Hausfrau sein „dürfen“). Feministische Begriffe werden vereinnahmt und somit zahnlos gemacht („Gender Mainstreaming“ und Mentoring-Programme statt Streik und Protest auf der Straße).
Die gegenwärtige politische und populäre Kultur verlangt von jungen Frauen, Autonomie und Erfolg mit einer Mittäterschaft in einer patriarchalen Ordnung in Einklang zu bringen, die dezentralisiert und schwer festzumachen ist. Die Medien verkünden das „Ende des Feminismus“ und eignen sich Rhetoriken und Bilder von weiblicher Freiheit und Autonomie an, die nur vordergründig den Erfolg von Frauen zu unterstützen scheinen. Das Zurückhalten von Kritik, ein konfliktscheues und komplizenhaftes Verhalten – die Politik der Desartikulation – sind die Bedingungen für diese Pseudofreiheit. Die Abgründe in Heidi Klums „Next Top Model“ und „The Swan – endlich schön!“ … zeigen widersprüchliche, krankmachende Rollenerwartungen („Du musst mehr Spass an der Sache haben!“) und neue Abhängigkeiten.
Angela McRobbies Studie ist ebenso bedeutsam wie Susan Faludis einflussreiches Werk „Backlash“, bietet griffige Argumente für die aktuelle feministische Diskussion und ist dank des analysierten populärkulturellen Materials von Buffy the Vampire Slayer und Sex and the City über TV-Make-Over-Shows bis zu Bridget Jones‘ Diary überaus lustvoll zu lesen. Eine Klassikerin der Cultural Studies.
BETTINA ZEHETNER