Mütterlichkeit ist menschlich
Mütterlichkeit wird in unserer Gesellschaftsordnung immer noch vor allem Frauen zugeordnet und von ihnen verlangt – selbst wenn sie keine Kinder haben wird Frauen eine fürsorgliche Haltung, die beständig die Bedürfnisse der anderen im Blick hat, zugemutet, andernfalls wären sie „unweiblich“. Umgekehrt gilt immer noch das Klischee, Väter könnten halt (kleine) Kinder niemals so gut versorgen wie die Mütter und die Karenzzeiten von Vätern zeigen tatsächlich eine traurige Realität: Nicht einmal 1 Prozent aller Väter in Österreich gehen länger als 6 Monate in Karenz (nicht einmal 3% länger als 2 Monate, siehe Statistik Austria – und das obwohl caring masculinity von Anfang an nachweislich präventiv gegen Gewalt wirkt wie Oystein et al. in norwegischen Studien gezeigt haben.
Mit all diesen einschränkenden Entweder-Oder-Stereotypien räumt die Analytikerin Helga Krüger-Kirn in ihrem neuen Buch erfrischend auf. Sie argumentiert schlüssig, wie Mütterlichkeit und Fürsorglichkeit keineswegs an bestimmte Körper oder Identitäten gebunden sind, sondern dass mütterlich-fürsorgliche Haltung und Verhalten jenseits der Geschlechterbinarität wirksam werden kann und soll – auch als queere und trans*-Mütterlichkeit. Hier tauchen neue Freiräume der subjektiven Aneignung und Umdeutung von Geschlechternormen auf.
Krüger-Kirn versteht es, komplexe Theorien aus Soziologie, (Neuro)Biologie und Psychoanalyse in klarer Sprache zu vermitteln Die konkreten Fallgeschichten aus der psychoanalytischen Praxis geben Einblick in die Vielfalt, wie Mütterlichkeit unabhängig von sex und gender gelebt werden kann und lassen Zuversicht entstehen, wie Alternativen zur Do-it-all-Mother und dem distanzierten Vater aussehen können. Ein erfreuliches Plädoyer für die Loslösung von Mütterlichkeit und Fürsorgeverpflichtung aus der normativen Zuschreibung an Frauen und ihre Körper. Ein engagiertes und wichtiges Buch, das die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Fürsorge in den gebührenden Mittelpunkt rückt.