Von Langschnabeligeln und Tintenfischalarm
„Die traditionellen Pole »Männlichkeit« und »Weiblichkeit« gleichen eher »historischen Geschlechtskrankheiten« als einer natürlich-bewahrenswerten Mitgift.“ Christina Thürmer-Rohr Zaglossus, der Langschnabeligel, ist ein Eier legendes Säugetier und bringt damit die dichotome Ordnung des Entweder-Oder durcheinander.
Zaglossus ist auch der Name eines neuen Wiener Verlags, der mit seinen Publikationen neue Perspektiven, Einblicke und Blickwechsel eröffnen will. Dieser Sammelband zu uneindeutigen Körpern und Geschlechtern eröffnet nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch, in seinem transdisziplinären Zugang, neue Zugänge. In den autobiografischen Texten von Alex Jürgen, Intersex-Aktivist_in und Protagonist_in des Films „Tintenfischalarm“, werden die Disziplinierung und strukturelle Gewalt gegen uneindeutige Geschlechter lebendig.
Wissenschaftliche Aufsätze begegnen Essays, filmischen Erzählungen, Interviews und literarischen Texten. Im Abschnitt „Recht und Politik“ liest eine Juristin Ulrike Draesners Roman „Mitgift“ und reflektiert gemeinsam mit einer Literaturwissenschafterin über Sprache und Recht. Im Abschnitt „Bildlichkeiten“ tauchen die antiken Narrative von Hermaphrodit und Androgyn im Film „Hedwig and the Angry Inch“ wieder auf und zwischen Beiträgen aus Ethnologie und Sport reflektiert eine feministische Biologin über Körpergrenzen und Geschlechterbrüche in Jeffrey Eugenides’ Roman „Middlesex“.
Ein reichhaltiger und origineller Sammelband, der Lust darauf macht, das Zwischenreich zwischen männlich und weiblich als Mehrwert, nicht als Mangel zu begreifen.
BETTINA ZEHETNER