Performance und Politik oder Ein Backfisch hat noch was zu erwarten
Gerburg Treusch-Dieters Vortrag war Performance im besten Sinn: Sprache und Körper als chiastische Einheit, ein Schau-Spiel, das die Erotik des Körpers mit der des Geistes verband und den Prozess des Denkens zur sinnlichen Aufführung brachte. Als Lehrende war sie intensiv und berauschend wie eine antike Dramengestalt. Mitzuerleben wie sie komplexe Gedankengänge entwickelte war eine Erfahrung, die die Zuhörenden selbst zu neuen und unkonventionellen Perspektiven anregte. Wie unbeschwert und humorvoll sie an schwer verdauliche Kost wie Gewalt im Geschlechterverhältnis, Gen- und Reproduktionstechnologie und Pornographie heranging, war befreiend und inspirierend. Als Freidenkerin ermutigte sie ihre Studierenden, scheinbar Selbstverständliches immer wieder neu zu hinterfragen. Ihre Weigerung, sich einzuordnen, ihre Inter- und Transdisziplinarität wurden nicht mit einer klassischen akademischen Karriere belohnt, machen jedoch die Vielfalt der vorliegenden Textsammlung zum Genuss.
Gerburg Treusch-Dieter hat Theoriegebäude lebendig und bewohnbar gemacht: Kritische Theorie, feministische Theorie, Dekonstruktivismus, Foucaults Diskurs- und Machtanalyse werden in Treusch-Dieters eloquenten Texten zu lustvollen Erkundungsreisen. Biomacht, die Entwertung von Körperlichkeit, die „Austopfung des Lebens“ aus dem Frauenkörper: Über die „geschlechtslose WunderBarbie“, Mutter-Tochter-Genealogien und patriarchale Schuldzuweisungen im Demeter-Kore-Mythos bis zur subtilen subversiven Kraft von Irigarays Mimesis-Konzept – ein 670 Seiten starkes Lesebuch wie ein wunderbar opulentes Festmahl. „Von ihr kann man lernen, wofür es sich lohnt, am Schreibtisch zu sitzen.“ (aus der Festschrift „Referenzgemetzel. Geschlechterpolitik und Biomacht“ für Gerburg Treusch-Dieter, Tübingen 1999)
BETTINA ZEHETNER