Der Sammelband gliedert sich in drei Themenbereiche:
- – Reproduktion und Care-Ökonomie
- – Transdisziplinäre Sichtweisen auf zentrale Konzepte der Ökonomik
- – Wirtschaftspolitische Beiträge der feministischen Ökonomik
Er umfasst von der „privaten“ Zweierbeziehung bis hin zur makroökonomischen Ebene das gesamte Spektrum ökonomischer Perspektiven auf Alltagshandeln und Weltwirtschaft.
Mascha Madörin beschreibt anhand von Studien zu bezahlter und unbezahlter Arbeit in der Schweiz die Care-Ökonomie als zukünftige wesentliche Herausforderung für die Wirtschaftswissenschaften: „In der Schweiz nimmt das Zubereiten von Mahlzeiten ein Viertel der gesamten unbezahlten Arbeitszeit in Anspruch und entspricht einem Wert von knapp 45 Mrd. Franken, was ungefähr 90 Prozent der Bruttowertschöpfung des gesamten Groß- und Detailhandels entspricht. Allein Frauen haben mit ihrer unbezahlten Care Arbeit für Kinder und betreuungsbedürftige Erwachsene eine ‚Bruttowertschöpfung‘ erzielt, die ungefähr der gesamten Bruttowertschöpfung des Finanzsektors in der Schweiz entspricht.“ (S. 96)
Friederike Maier analysiert die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union und Gülay Caglar beschreibt transnationale Wissensnetzwerke und Geschlechterpolitik im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik.
Besonders hervorheben möchte ich Friederike Habermanns Artikel „Hegemonie, Identität und der homo oeconomicus Oder: Warum feministische Ökonomie nicht ausreicht.“ Anhand von Foucaults Gouvernementalitäts-Konzept analysiert die Autorin den „backlash“-Gehalt der in unserer Gesellschaft der Selbstvermarktung unhinterfragten Werte Autonomie, Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit: Empowerment und Demütigung gehen Hand in Hand. Wenn jeder erreichen kann, was er will, haben es jene, die auf der Strecke bleiben nicht besser gewollt (und folglich ihr Schicksal verdient. S. 165)
Effektivität und Effizienz in der Selbstoptimierung bestimmen als Kriterien längst schon nicht mehr nur unser Arbeitsleben. Als normal – auch in der Freizeit, auch im Sport – gilt die Höchstleistung, was davon abweicht, gilt als ungenügend. Unternehmer seiner selbst bleibt das Individuum auch, wenn es seine Anstellung verlieren sollte: Das Ich kann sich nicht selbst entlassen; die Geschäftsführung des eigenen Lebens erlischt erst mit diesem selbst.“ (Bröckling zit.n. Habermann, S. 166)
Aus dieser Durchtränktheit ökonomischer Kategorien mit Machtverhältnissen zieht Habermann mit Joan W. Scott den Schluss, „dass Widerstand bereits auf der Ebene der diskursiven Konstruktion von Identitäten ansetzen muss. Es reicht also nicht, Frauen/ people of colour in die ökonomische Theorie einzubeziehen und sich auf die Untersuchung von Aspekten wie „Auswirkungen einer bestimmten Wirtschaftspolitik auf eine bestimmte ‚Identitätsgruppe‘ zu konzentrieren.“ (S. 167)
Insgesamt ein sehr empfehlenswerter, spannend geschriebener und vielschichtiger Sammelband zum hochaktuellen Themenkomplex Geld und Geschlecht.
BETTINA ZEHETNER