Ursel Sickendiek ist Expertin für das Konzept der differenzierten Parteilichkeit und für Theorie und Praxis der beruflichen Laufbahnberatung. Ihr neues Buch bietet anregende Reflexionen zur Lebensweltorientierung und zur ressourcenorientierten Arbeit mit Ratsuchenden, ein starkes Plädoyer für Empowerment und kritische Reflexion der eigenen Beratungshaltung statt Normalisierung und Anpassung. Sehr deutlich wird: Psychosoziale Aspekte sind ebenso wie eine feministisch-emanzipatorische Haltung wesentlich für das Gelingen kompetenzfördernder beruflicher Beratung – dies wirkt handlungserweiternd für alle Geschlechter möchte die Rezensentin ergänzen.
Wohltuend ist die klare feministische Positionierung der Autorin, die als Basis für eine differenzierte Debatte um Klassismus, Rassismus, Ageism, Ableism und weitere Diskriminierungsachsen dient. Deutlich wird, dass die Kategorie Geschlecht in jeder dieser Achsen eine zentrale Stellung einnimmt und nicht vernachlässigt oder aufgelöst werden kann, wenn Beratung eine emanzipatorische Wirkung entfalten soll.
Dementsprechend soll sich die Vielfalt von Feminismen in einer möglichst heterogenen Zusammensetzung der Teams von Beratungsstellen abbilden.
Aufgrund der Sammlung von Artikeln zu miteinander verknüpften Themen gibt es einige Wiederholungen, dafür steht jeder Text gut für sich als kompakte Einheit, was auch für kursorische Leser_innen hilfreich ist.
Bemerkenswert ist die konsequente Perspektive sozialer Gerechtigkeit, die bei Ursel Sickendiek als Hintergrundfolie alle Reflexionen zu Theorie und Praxis von Beratung begleitet. In Zukunft werden wohl auch die Themen Inter- und Trans*Identität unseren Blick erweitern, hier wäre eine Fortsetzung der Textsammlung sehr erfreulich.
BETTINA ZEHETNER