Boys don’t cry?
Auch wenn Trauer ein zutiefst menschliches Gefühl ist, so sind doch das Empfinden und der Ausdruck von Trauer stark von Sozialisation und Geschlechterstereotypen überformt. Während Frauen ein größeres Bedürfnis zeigen und es für sie sozial „legitim“ ist, über ihre Traurigkeit zu sprechen, machen „richtige“ Männer das mit sich selbst aus, schweigen und flüchten sich in Aktivität – so zumindest die Rollenkonserven, die in unserer patriarchalen Kultur beide Geschlechter immer noch schmerzhaft einschränken. Bewusst zu trauern kann stärken und über die eigene Trauer mit anderen in Verbindung zu treten kann der drohenden Einsamkeit entgegenwirken. Im Idealfall eröffnet Trauer einen Raum, in dem in der Verbundenheit mit anderen eine existenzielle Reflexion des Vergangenen ermöglicht wird. Mit der Einordnung des Verlusts und dem Teilen des Schmerzes kann Zukunftsbewältigung gelingen. Trauern lernen kann eine Form der Selbstfürsorge sein und sogar gewaltpräventiv wirken. Wenn Männer ihre Verletzbarkeit nicht mehr hinter einem Panzer der Härte und Undurchdringlichkeit verbergen müssen, dann werden sie nahbar und spüren sich lebendig, dann ist es möglich, in Beziehung zu bleiben und sich nicht abzuschotten, nicht selbst- oder fremdschädigend zu handeln.
Männer, die sich trauen zu trauern und diese Trauer zu zeigen, betrachten ihre Partnerin nicht mehr als zu kontrollierenden Besitz und können sie gehen lassen, ohne sie gewaltvoll daran hindern zu wollen.
Der Autor schöpft aus seiner langjährigen Erfahrung als Psychotherapeut, Theologe und Männerforscher und zeigt, dass dort, wo Trauer von Männern wahrgenommen, angenommen und gelebt wird, sie den Weg zu alternativen Männlichkeitsentwürfen weisen kann, hin zu einem alternativen Männlichkeitsbild, in dem die Sorge im Mittelpunkt steht. „Konkret geht es um die Sorge um sich selbst, um die Mitmenschen und um die Umwelt. Indem dieses Männlichkeitsbild neben den Stärken auch die Schwächen des Menschseins, seine Verletzlichkeit und Bedürftigkeit aufnimmt, kann es den Weg zu einem erfüllteren Menschsein weisen.“
Ein empfehlenswertes Buch für Trauernde und Trauer-Interessierte aller Geschlechter.