Selbstbestimmt (und) in Beziehungen

Beziehungsdruck ist geschlechtsspezifisch!

Frauen* sind mit gesellschaftlichen Rollenerwartungen konfrontiert, die sie unter Druck setzen und ihren Handlungsspielraum einschränken können. Die gesellschaftliche Erwartungshaltung lautet: Frauen* sollen in einer monogamen, heterosexuellen Partnerschaft leben und sich in jeder Hinsicht beziehungsorientiert verhalten. Sie sollen hauptverantwortlich dafür sein, dass eine Liebesbeziehung für beide Geschlechter gut ist und auch bleibt. Single zu sein kann unter diesen Umständen als persönliches Scheitern empfunden werden und Selbstzweifel nähren. Aber: Beziehungen entstehen zwischen zumindest zwei Menschen. Alle Beteiligten sind für Respekt, Sicherheit und die Wahrung von Privatsphäre verantwortlich!

Worauf kann ich beim Daten achten? Ist das noch normal oder schon übergriffig?

Menschen zu daten kann uns in neue, aufregende, aber auch gefährliche Situationen bringen. Gerade in diesem Kontext gibt es Verschränkungen zwischen digitaler, psychischer, sexueller und auch ökonomischer Gewalt. Unsere persönlichen Erfahrungen sind immer im Kontext aktueller gesellschaftlicher Geschlechterungleichheit zu denken. Stereotype Dating-Skripts¹, die wir alle internalisiert haben, können beispielsweise bewirken, dass das Teilen von Passwörtern als Liebesbeweis missverstanden und das Tracken2 per GPS als Fürsorge missinterpretiert wird. Das Zahlen der Rechnung beim Date kann dazu benutzt werden, eine (sexuelle) Gegenleistung einzufordern oder sich sogar zu einer ­Vergewaltigung3 „berechtigt“ zu fühlen.

Wenn wir im Rahmen der Partnerinnensuche jemand Neuem begegnen, reagieren wir immer auch vor dem Hintergrund unserer bisherigen Beziehungserfahrungen. Gibt es beispielsweise einen starken Wunsch nach einer liebevollen Beziehung, kann die Hoffnung darauf dazu führen, dass erste Warnsignale im Zusammenhang mit Grenzüberschreitungen ignoriert werden. Empfinden wir eine Situation als schwierig oder sogar chaotisch, dann greifen wir instinktiv auf bekannte Rollenmuster zurück. Handelt es sich dabei um konservative Geschlechterbilder, dann ist das schädlich für Frauen.

All das wird durch die Schnelligkeit der Online-Dating-Logik4 zusätzlich herausfordernder. Online-Dating fördert Konkurrenz, den Vergleich mit anderen und das Gefühl, keine Gelegenheit verpassen zu dürfen. Ein hohes Tempo in der Nutzung und Kommunikation kann eine Illusion von Intimität bewirken. Daraus können Überforderung, Enttäuschung und Erschöpfung resultieren.

Folgende Fragen am Anfang einer Beziehung können eigene Bedürfnisse bewusst machen:

  • Fühle ich mich wohl mit der Häufigkeit des Kontakts oder verspüre ich Druck, schnell zu antworten? Was ist mein Tempo?
  • Gibt es unausgesprochene Erwartungen, die ich erfüllen soll? Oder vielleicht sogar konkrete Aufforderungen wie z.B. meine Telefonnummer bekannt zu geben oder intime Bilder5 zu versenden?
  • Vertraue ich meinem Gegenüber und weshalb? Reicht das aus, um vom Schreiben über die App auf das Schreiben über WhatsApp oder zum ersten Date überzugehen?
  • Welchen Eindruck haben meine Freund*innen von meiner Dating-Person?

Beim selbstbestimmten (Online-)Daten

  • sind die eigenen Motive bewusst: Freundschaft, sexuelle Kontakte, monogame oder polyamouröse Partnerinnenschaft etc. wählen wir die App bewusst: Bumble, OKCupid oder Hinge können Alternativen zu Tinder sein. Die Partnerinnensuche im Bekanntenkreis bleibt eine gute Möglichkeit.
  • drücken wir bei Bedarf auf die unsichtbare “Pause-Taste”. Niemals müssen wir einer Aufforderung zu einem persönlichen Treffen oder zum Teilen intimer Bilder folgen, wenn wir das nicht wollen.
  • melden wir Übergriffe, holen uns Unterstützung und lassen uns nicht silencen bzw. aus dem digitalen Raum verdrängen.

Für das erste persönliche Treffen

  • vereinbaren wir einen öffentlichen Ort, informieren wir eine Vertrauensperson und vereinbaren mit ihr einen Sicherheitsanruf, oder lassen uns für die Zeit des Dates zur eigenen Sicherheit tracken.
  • sind wir uns der Wirkung verinnerlichter, genderstereotyper Rollen bewusst. Das bedeutet beispielsweise: Nur weil er die Rechnung bezahlt, heißt das nicht, dass sie ihm etwas schuldig ist.
  • sprechen wir unsere Grenzen offen an, wenn es sicher genug ist. Falls nicht, gestehen wir uns auch einen Kontaktabbruch zu. Grenzüberschreitungen und Übergriffe sind inakzeptabel, egal zu welchem Zeitpunkt. Auch im digitalen Raum gelten Gesetze!
  • hören wir auf unser Bauchgefühl. Als Wegweiser zeigt es uns an, wo unsere Grenzen liegen. Respektiert zu werden, ist ein wichtiger Grundstein für eine Liebesbeziehung auf Augenhöhe jenseits klassischer Rollenverteilung.

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