Rezensionen
Carmen Maria Machado:
In The Dream House.
London: Serpent’sTail 2020.
https://serpentstail.com/
In „In the Dream House“ erzählt Carmen Maria Machado die autobiografische Geschichte
einer Beziehung, die einige Zeit zurückliegt und aus dieser zeitlichen, räumlichen
und emotionalen Entfernung aufgearbeitet werden kann: Die Ich-Erzählerin*, die über
weite Strecken in eine Du-Erzählerin* übergeht, macht sich auf die Suche nach
Literatur und Fachwissen zu Gewalt in gleichgeschlechtlichen und queeren Beziehungen
und findet: auffallend wenig. Woran liegt das, fragt sie sich?
In einer kreativen Verflechtunggenre-übergreifender kurzer und kürzester Versatz-text-stücke,
schreibt Machadodas Buch, auf dessen Suche sie* einmal war, eben selbst: In originellem
Stil zeichnet sie die Linien jener Beziehung in thedreamhouse nach und berichtet davon
anhand poetischer, alltäglicher und analytischer Momente und Bilder; Elemente, die eine
psychische und physische Gewaltbeziehung mit sich bringen (können). Diese verwebt sie*
mit (fiktiven?!) enzyklopädischen Referenzen, mit Populärkultur, mit vergleichenden
Berichten aus Gerichtsentscheidungen, ja, teilweise mit Textstücken, die bei einem
poesietherapeutischen Workshop entstanden hätten sein können. Vor allem gelingt Machado
aber ein feinfühliger Beitrag zum Thema, wie marginalisierte und mehrfach diskriminierte
Personen (und Körper!)in besonderer Weise unter der Tabuisierung und einem inneren und
äußeren Konflikt leiden:Die eigene Beziehung, Lebensform und Community schützen und
Pathologisierung entgegenwirken wirken zu wollen, Gewaltverhältnisse dabei aber dennoch
zu benennen und zu bekämpfen. Sie* schafft es, in persönlichen Abrissen Bilder und
Beobachtungen zur Verfügung zu stellen, die es dem* Leserin* freistellen, welche Position
er* einnehmen will oder gerade kann: die sachlich distanzierte, die politisch interessierte,
die persönlich berührte, die kreativ inspirierte?
Welcher Teil ihrer* Leser*innenschaft ihr* besonders am Herzen liegt, legt Machado in der
Widmung offen: „Ifyouneedthisbook, itisforyou”
Eine empfehlenswerte Lektüre, die ein hartes, wenig beleuchtetes und komplexes Thema
intersektional aufgreift ohne dabei plakativ zu sein – Achtung, sie wirdSpuren hinterlassen!
Leider ist „In The Dream House“ derzeit nur im englischsprachigen Original erhältlich. Die
Autorin hat darüber hinaus abereinen Erzählband mit dem Titel „Her Body and other Parties“
veröffentlicht, den es auch auf Deutsch unter dem Titel „Ihr Körper und andere Teilhaber“
(Klett-Cotta) zu lesen gibt.
Bettina Zehetner