Rezensionen
Dagmar Fink, Birge Krondorfer, Sabine Prokop, Claudia Brunner (Hg.innen):
Prekariat und Freiheit?
Feministische Wissenschaft, Kulturkritik und Selbstorganisation
Münster: Westfälisches Dampfboot 2013
http://www.dampfboot-verlag.de/
Die Wissenschafterin als unternehmerisches Selbst
In diesem Band geht es um widersprüchliche Freiheiten im Spannungsfeld von Vereinzelung
und Kollektivität, um das Sich-vermarkten-Müssen als unternehmerisches Selbst, das längst
auch die Wissenschaft, zumal die immer schon prekäre feministische und Geschlechterforschung
erreicht hat.
Deutlich wird: der Neoliberalismus ist keineswegs geschlechtsneutral, auch wenn er beide
Geschlechter durch maximale Flexibilisierung bestmöglich „produktiv machen“, sich selbst
ausbeuten lassen will. „Selbstverantwortungshandeln wird gecoacht und das Erlernen von
Durchsetzungstechniken wird als Selbstermächtigung verkauft.“ (Birge Krondorfer, S. 159)
Der „Verband feministischer Wissenschafterinnen“ (VfW, im Jahr 2000 im Verein Frauenhetz
in Wien gegründet) versteht sich als Verein zur Förderung freier feministischer Wissenschafter_innen.
Die hier vernetzten, vorwiegend freiberuflichen Forscher_innen üben Kritik an prekären Organisations-
und Bezahlungsverhältnissen von Wissenschaft und macht die wissenschaftliche Arbeit von Frauen sichtbar
– ein Gegengewicht gegen die häufige Verschleierung und Ignoranz weiblicher Arbeit in „malestream“
genormten Universitätskarrieren, die an männlichen Biografien, frei von bremsender unbezahlter
Reproduktions- und Sorgearbeit, ausgerichtet sind.
Eine Besonderheit: der Text „Kollektiv zwischen Schöpfung und Erschöpfung“ von Miriam Wischer
in literarischer, fast poetischer Sprache und der Dialog von Uli Aigner und Jo Schmeiser „Als hätte
ich nie gelernt, zu arbeiten. Als hätte ich gelernt, nie zu arbeiten.“
Mit Beiträgen von Hanna Hacker, Karin Rick („Sex in der Schrift – ein Minenfeld“), Esther
Hutfless, Frigga Haug, Isabell Lorey, Petja Dimitrova über die Thematisierung von Prekarität durch
Künstler_innen, Luzenir Caixeta über die transnationalen Arrangements und die Rolle von Migrant_innen
in der Care-Krise.
Ein mögliches Fazit formuliert Beatrix Beneder: „Es gilt Unvereinbarkeiten konsequent als solche zu
benennen und gesellschaftliche Lösungen einzufordern: Es gibt auch ein Recht, unflexibel zu sein, Zeit-
und Ortssouveränität einzufordern.“ (S. 72)
Bettina Zehetner